E-Fuels auf dem Vormarsch?

Auf der Suche nach umweltverträglichen Fortbewegungsmöglichkeiten sind auch immer wieder die sogenannten E-Fuels anzutreffen. Was können sie und wie weit ist die Forschung?
Die Uhr tickt. Um die Klimaerwärmung zu bremsen, wird fieberhaft nach alternativen Kraftstoffen gesucht, die Energie liefern und die Umwelt nicht oder nur wenig belasten. Auf dem Kongress „Kraftstoffe der Zukunft 2021“, der vom 18.01. bis zum 22.01. in digitaler Variante stattfand, widmeten sich gleich mehrere Abschnitte den sogenannten E-Fuels.
Zum Begriff
Unter E-Fuels versteht die Wissenschaft Kraftstoffe, die unter der Zuhilfenahme von Elektrizität hergestellt werden. Im Fachjargon werden sie auch Ptx (power to x) genannt. Es gibt verschiedene Verfahren mit etlichen komplizierten Prozessschritten, in denen Rohstoffe zu einem flüssigen oder gasförmigen Kraftstoff veredelt werden. In der Regel braucht es als Basis eine Kohlenstoff- und eine Wasserstoffquelle, aus denen schließlich das Endprodukt entwickelt wird. In ferner Zukunft sollen diese Kraftstoffe die fossilen Brennstoffe zu einem Teil ersetzen, so die Hoffnung. Grundsätzlich steckt die Technologie aber noch in den Kinderschuhen.
Chemische Prozesse
Hinter der Entwicklung eines Kraftstoffes steht ein kompliziertes Geflecht aus verschiedenen Arbeitsschritten. Beispiel: E-Diesel. Dieser wird unter anderem im Kopernikus-Projekt P2X des Bundesministeriums für Bildung und Forschung entwickelt. Ein Gerät filtert Kohlenstoffdioxid (die Kohlenstoffquelle) aus der Luft und schickt sie gemeinsam mit Wasserdampf (Wasserstoffquelle) in eine Elektrolyseanlage, die nach dem sogenannten Fischer-Tropsch-Verfahren arbeitet. Unter Zuhilfenahme von Strom generiert das Gerät Kohlen-Wasserstoffketten, die am Ende teilweise wieder aufgespalten werden. Lange Rede, kurzer Sinn: Es entstehen drei Stoffe: Wasser, ein Wachs und das E-Fuel. Dieses kann in Raffinerien zu E-Diesel umgewandelt werden. Möglich wäre auch die Veredelung zu Benzin oder Kerosin.
Umweltgedanken
Der gesamte Prozess sieht auf den ersten Blick wie ein bahnbrechender Erfolg auf der Suche nach umweltfreundlichen Fortbewegungsmöglichkeiten aus. Vorteil eins: Es wird kaum zusätzliches Kohlenstoffdioxid in die Umwelt geblasen. Denn der Anteil, den das Auto ausstößt, wurde ja bereits zuvor aus der Luft entnommen. Vorteil zwei: Das bestehende Tankstellennetz kann für die E-Fuels weiterverwendet werden. Auch die Fahrzeuge brauchen keine Aufrüstung und können mit den bestehenden Motoren weiterfahren. Vorteil drei: Die E-Fuels sind Forschern zufolge sogar sauberer als herkömmliche Treibstoffe, da sie keine Verunreinigungen, wie beispielsweise Schwefel, enthalten. Weiterführend seien E-Fuels relativ geruchsneutral, der Benzingestank bleibt also auf der Strecke. Klingt alles nach heiler Welt – und doch ist ein flächendeckender Einsatz noch sehr weit entfernt.
Die Herstellung von E-Fuels

Ganz so einfach, wie eben beschrieben, ist es leider doch nicht. Denn es gibt einige Hindernisse. So existieren bisher nur wenige Anlagen, die in der Lage sind, E-Fuels im großen Stil herzustellen. Um beim Kopernikus-Projekt zu bleiben: Der erste Komplex in der Größe eines Seecontainers schaffte gerade mal 10 Liter E-Fuel am Tag. Dieses Problem dürfte sich in den nächsten Jahren aber wohl beheben lassen. So hat kürzlich das Unternehmen Ineratec angekündigt, schon bald 4,6 Millionen Liter E-Fuels pro Jahr produzieren zu wollen. An ausgewählten Tankstellen soll es dann spätestens Anfang 2022 möglich sein, 90 prozentigen E-Diesel zu tanken. Vorausgesetzt, es finden sich Abnehmer für das Produkt. Trotzdem: Theoretisch ist das Problem der Menge wohl relativ zeitnah behebbar.
Ein anderes aber nicht: Die Frage des Stromes. Schon jetzt zeichnet sich ab, dass sich die politischen Streitigkeiten der Zukunft nicht mehr um Ölfelder, sondern um Gewinnungsmöglichkeiten von umweltfreundlichem Strom drehen werden. E-Fuels sind genau so lange umweltfreundlich, wie die Energie für die Elektrolyse aus regenerativen Quellen gewonnen wird. Steht dahinter ein Braunkohlekraftwerk, ist der Aufwand für die Katz. Bei „Kraftstoffe der Zukunft 2021“ zeigte Dr. Ilkka Hannula von der International Energy Agency den deutschen Strombedarf für E-Fuels im Jahre 2050 auf. Der Forscher rechnet mit 587 Terawattstunden pro Jahr – nur für die Herstellung der umweltfreundlichen Treibstoffe. Zum Vergleich: Heute erzeugt Deutschland lediglich 302 Terawattstunden umweltfreundlichen Strom pro Jahr. Insgesamt! Alleine hier wird die schier unüberwindbare Hürde sichtbar.
Auch die Effektivität der Prozesse ist ein Thema. So berechnet Dr. Siegfried Bajohr (Karlsruher Institut für Technologie) für die Herstellung von E-Diesel mittels des Direct Air Capture-Verfahrens einen Wirkungsgrad von 48 Prozent. Andere Verfahren, beispielsweise der Gewinn von CNG oder LNG aus Biomasse, erreichen Wirkungsgrade von über 70 Prozent. On top muss berücksichtigt werden, dass Verbrennungsmotoren auch einen schlechten Wirkungsgrad haben. Die Folge: Eine Verkettung ineffizienter Prozesse, mit dem Effekt, dass mehr als ¾ der erzeugten Energie verpufft, ohne, dass sie auch nur einen Meter Fahrt gebracht hat. Allerdings, so Bajohr in seinem Vortrag beim Kongress, sollte der Wirkungsgrad kein Kriterium für die Auswahl des Gewinnungsverfahrens sein. Eher sei die Wissenschaft dazu angehalten, das als Anreiz zur Verbesserung zu sehen. Tatsächlich, das merkt auch Bajohr an, gebe es schon erste Forscher, die bei der Erzeugung von E-Diesel nach dem oben beschriebenen Verfahren höhere Wirkungsgrade erzielt haben wollen.
Die Zukunft
Glaubt man den Experten bei der Konferenz, so werden E-Fuels in Zukunft eine entscheidende Rolle bei unserer Fortbewegung spielen. Fast alle sind sich aber auch einig, dass die Treibstoffe keine alleinige Lösung darstellen, sondern nur ein Puzzlestück sein können. Erste Schritte werden bereits gegangen. Eine Massenproduktion für den breiten Markt ist aber noch nicht abzusehen.
Wer das Engagement der Wissenschaft bei „Treibstoffe der Zukunft 2021“ sieht, der erlebt so etwas wie einen Lichtblick. Es gibt massenweise Ideen und Anreize, es folgen fortlaufend neue Erkenntnisse und Innovationen. Dass E-Fuels in der marktreifen und kostengünstigen Herstellung in nicht allzu ferner Zukunft möglich sein werden, steht außer Frage. Viel größer ist das Problem der Energiebeschaffung – hier liegt die eigentliche Hürde.
Kommentar von Redakteur Fabian Faehrmann
"Es ist beeindruckend, welch große Schritte die Wissenschaft auf der Suche nach neuen Fortbewegungsmöglichkeiten gemacht hat. Und gleichzeitig wird das eigentliche Problem sichtbar. Die umweltfreundliche Mobilität von morgen ist nicht Aufgabe der Wissenschaft. Sie ist Aufgabe der Gesellschaft. Für jeden Einzelnen von uns! Warum? Weil es an uns ist, die neuen Energiequellen, die verfügbar sind, auch zu nutzen und sie vor allem zu dulden. Beispiel: Windräder. Ich find die Dinger auch nicht schön, keine Frage. Aber vielleicht sollten wir sie nicht nur als Störfaktoren, sondern auch positiv sehen. Als Lieferant des Stromes, mit dem Sie ins Internet gehen, Fernsehen schauen, kochen, ihr Handy laden und irgendwann auch Auto fahren. Das ist die Realität! Mir persönlich stellt es immer wieder die Haare auf, wenn ich höre: „Windkraft ist ja toll, aber bitte nicht bei mir vor der Haustür.“ Die richtige Antwort wäre: „Autofahren ist ja toll, aber für Sie ab sofort leider vorbei.“ Wir alle müssen einsehen, dass die Verantwortung nicht am eigenen Gartenzaun endet. Wir werden aber auch akzeptieren müssen, beim Thema Sprit auch weiterhin von anderen Ländern abhängig zu sein. Anders als beim Öl oder Gas können wir in diesem Fall die Quote aber beeinflussen. Deshalb mein Vorschlag: Wir hören endlich auf zu bremsen und gehen das Tempo der Wissenschaft mit. Windrad oder Wüste – was hätten Sie lieber vor der Haustür?"
JohXa